offener brief

BLOG POST AUGUST 2018

Offener Brief an alle Auftraggeber von Handwerkern.

Als Unternehmer mit einem bundesweiten Netzwerk und Unternehmerfreunden möchte ich stellvertretend für unsere gesamte Branche Stellung zur Auftragssituation und Auftragsabwicklung von Handwerksunternehmen beziehen.

Liebe Häuslebauer, Renovierer, Do-It-Yourself Handwerker und Auftraggeber.

Heute wende ich mich an Sie, da sich unsere Situation in den letzten Jahren immer weiter zugespitzt hat, es jedoch in absehbarer Zeit im Handwerk nicht besser wird und man dennoch immer mehr Unverständnis seitens der Auftraggeber erfährt.

Ich möchte hier keinen einzelnen an den Pranger stellen, sondern einfach mal die allgemeine Situation zusammenfassen und verschiedene Szenarien darstellen. Wir Handwerksbetriebe wollen Sie nicht ärgern oder leisten mit Absicht schlechte Arbeit. Nein, ganz im Gegenteil. Wir tun jeden Tag unser Bestes. Egal ob es regnet, schneit oder hochsommerliche Temperaturen herrschen. In der Regel auch länger als die vom Gesetzgeber erlaubten 48h pro Woche. Wir tun ALLES um Ihren Auftrag so optimal wie möglich abzuwickeln. Und dennoch kriegen wir immer wieder die Keule auf den Kopf, es wird mit schlechten Bewertungen gedroht, zum Teil werden absurde Preisnachlässe aufgrund von Bagatellen gefordert, mit Auftragsstornierung und Anwälten muss sich herumgeärgert werden usw.

Wird dies gedankt? Eher nicht. Verständnis oft Fehlanzeige…

Früher war es selbstverständlich, dass der Handwerker Brotzeit und Wasser angeboten bekommen hat und nach getaner Arbeit ein Trinkgeld erhielt. Heute müssen die Handwerker ihre Getränke selbst mitbringen.

Das ist mehr als schade!

Den Unternehmern im Handwerk, den Handwerklichen Mitarbeitern und den Bürokräften in Handwerksbetrieben gegenüber fehlt oft der Respekt an der harten Arbeit. Nicht zu vergessen ist auch die geringere Bezahlung gegenüber der Industrie. Dass keiner mehr ins Handwerk nachrücken möchte, kann ich immer mehr nachvollziehen. Da auf den Handwerksbetrieben immer nur rumgehackt wird, hat unsere junge Generation keine Lust ein Handwerk zu erlernen. Aber wer kommt denn wenn die Heizung nicht funktioniert? Wenn das Dach undicht ist? Wenn der Strom nicht mehr richtig funktioniert? Oder wenn ich einen tollen Kamin einbauen soll? Immerhin hält unsere Arbeit nicht nur 10 Minuten sondern ist oft eine Investition in die nächsten 30 Jahre.

Wie Sie sicherlich schon erfahren haben, kommen aktuell mehrere Faktoren zusammen:

  • Hochphase im Handwerksgewerbe
  • Fachkräftemangel
  • Überalterung der Handwerksbetriebe
  • Offene Stellen bleiben unbesetzt
  • Kaum gute Leute am Markt
  • Junges Personal geht lieber studieren oder ins Büro statt ins Handwerk

Daraus resultieren:

  • Hohe Löhne
  • Hohe Aufwandskosten
  • Lange Lieferzeiten

Es wird immer schwieriger einen Handwerksbetrieb zu finden der gut ist und in „absehbarer Zeit“ Ihre in Auftrag gegebene Arbeit verrichten kann. Betriebe die in der Regel schon „nächste Woche“ kommen können gibt es immer weniger. Das hat auch seinen Grund. Dennoch wird zum Teil immer noch von Handwerksbetrieben verlangt innerhalb 2 – 4 Wochen selbst größere Aufwände umzusetzen mit der Androhung:

„Wenn Sie den Auftrag nicht haben wollen dann gehen wir halt woanders hin“

> > > Na dann viel Spaß jemanden zu finden, der die Arbeit ordentlich erledigen soll. Lieferzeiten von 2-6 Monaten sind aktuell die Regel nicht die Ausnahme.

Auch wir Handwerker sind von Lieferfristen unserer Zulieferer abhängig. Eine tagesgenaue Terminplanung mehrere Wochen im Voraus ist im Handwerk, wo immer auch mal etwas passieren kann schier unmöglich, gerade in einem bundesweit agierendem Unternehmen. Dennoch wird dies weiterhin verlangt.

Aussagen wie:

Sie müssen doch wissen wo Sie in 4 Wochen arbeiten“ oder „Wieso können Sie mir nicht in 4 Wochen einen Fixtermin nennen?“ sind Aussagen die wir immer wieder zu hören bekommen.

Die Antwort ist ganz einfach. Es muss in die Tourenplanung, in die Urlaubsplanung, in die Personalplanung, in die Fuhrparkplanung, in die Wochenplanung und in die Materialplanung passen.

Wir sind nicht Amazon wo alles automatisiert läuft. Wir disponieren noch mit dem Telefon und müssen auch unsere Einsatzplanung optimal planen um nicht unnötig Arbeitsaufwand, Personalaufwand und Reiseaufwand zu generieren. Dies ist eine rein wirtschaftliche Angelegenheit.

Wenn jedoch Folgearbeiten notwendig sind, da die Handwerker die Montage in der vorgegebenen Zeit nicht durchführen konnten, weil zusätzliche Probleme auf der Baustelle entstehen (oder Teile fehlen) ist der Druckaufbau vom Auftraggeber noch deutlich höher.

Aussagen wie:
Wenn Sie nicht morgen weitermachen oder am Wochenende fertig machen, dann stornieren wir den Auftrag oder gehen zu unserem Anwalt“ oder
„Lassen Sie sich etwas einfallen, wie Sie mir hier nochmal entgegenkommen können“ Hört die gesamte Branche immer wieder. Oft wird verlangt gegen geltendes Recht zu verstoßen. Die Strafen hierfür sind enorm und zwingen viele Unternehmer beim „erwischt werden“ zur Betriebsaufgabe.
Was Sie oft nicht bedenken ist, dass auch Handwerksbetriebe Rechte Haben, die Sie aber oft aus Kulanz und aus gutem Willen nicht umsetzen, weil wir Handwerker zufriedene Kunden hinterlassen möchten.

Auch für uns bedeutet eine unfertige Baustelle oder erhöhter Zeitaufwand Mehrkosten, der meist nicht in Rechnung gestellt wird. Auch wenn zusätzliche Teile bestellt werden dauert dies seine Zeit. Wir können ja nicht einfach alle Kunden im Nachhinein absagen nur um diese eine Baustelle jetzt irgendwie fertig zu bekommen. Dieser ganze zusätzliche Aufwand geht selbstverständlich vom Gewinn des Unternehmens ab. Fordert jetzt der Kunde aufgrund einer Zeitverzögerung, bei dem kein Schaden entsteht, weitere Rabatte bleibt am Schluss auf dieser Baustelle nichts mehr übrig um die Mitarbeiter zu bezahlen. Die Margen sind aufgrund des enormen Kostendrucks nicht die, die es noch vor vielen Jahren waren. Die Folge daraus ist, dass es irgendwann überhaupt keine Handwerksbetriebe mehr gibt.

Dennoch wird weiterhin mit der Stornierung des Auftrages und Anwälten gedroht und enorme Preisnachlässe gefordert. Teils völlig ungerechtfertigt weil sich ein Gewerk um wenige Wochen verzögert. Fragen Sie sich doch einfach mal selbst:

  • Welcher tatsächliche Schaden ist Ihnen denn entstanden?
  • Welcher Zusatzaufwand entsteht dem Betrieb?

Das Stornieren eines Auftrages ist mit hohen Kosten verbunden.

Eine angemessene NACHFRIST für eine Nachbesserung sind nicht 7 Tage sondern die ursprüngliche Lieferzeit nochmal. Erhöhter Aufwand könnte theoretisch mit einem Aufpreis berechnet werden und das sogar ohne vorherige Absprache. Wie oft wird das tatsächlich gemacht? Nur im äußersten Notfall.

Nörgeleien, Beschwerden, ständige Nachfragen wie es denn jetzt mit dem Auftrag weitergeht usw. stören nicht nur den Betriebsablauf, nein, zusätzlich fallen mehrere Arbeitsstunden an um zu beschwichtigen, selbst nachzufragen um herauszufinden was los ist, sich in die einzelnen Aufträge einzuarbeiten, die Disposition umzuschreiben, den Geschäftsführer von seiner eigentlichen Arbeit abzuhalten, und auch uns kostet das Nerven.

Dadurch verzögert sich nicht nur Ihr Auftrag, sondern auch alle anderen Aufträge verzögern sich dadurch. Es entstehen zusätzliche Personalkosten für den Betrieb die durch einfaches abwarten vermeidbar sind. Statt abzuwarten, bis der Vorfall vom richtigen Sachbearbeiter geklärt wird, braucht der Auftraggeber sofort und jetzt eine adäquate Antwort ohne dem Betrieb die Chance zu geben sich den Vorfall in Ruhe anzuschauen um eine zufriedenstellende Lösung zu finden. Im Gegenteil die Azubis oder Bürokräfte werden angeschnauzt der Betrieb wäre unfähig, die Handwerker sind unfähig usw.

Aussagen die der Handwerker in der Theorie auf der Baustelle trifft sind plötzlich bindend ohne dass der Chef eine Aussage getroffen hat. Die Liste ist lang…

Wo gehobelt wird fallen Spähne. Den perfekt arbeitenden Betrieb gibt es nicht. Selbst in Milliardenunternehmen, Konzernen usw. passieren Fehler. Diese sind oft weitaus gravierender als das was im Handwerk mal schief geht oder schief gehen kann. Hier fragt aber keiner nach weiteren Rabatten oder droht mit Anwälten, nein, da wird es hingenommen.
Abgasaffäre, Dieselgate, Umweltgate, explodierende Akkus, Rückrufaktionen und viele mehr. Das Verständnis für einen Milliardenbetrieb ist aber komischerweise deutlich höher als für den kleinen Handwerker, denn dieser ist greifbar, der Konzern nicht.

Bsp.: Sie bestellen ein Neufahrzeug bei einem renommierten Autobauer. Der Autobauer sagt Ihnen die Lieferzeit beträgt ca. 4 Monate. Nach 3 Monaten meldet sich der Autobauer mit der Aussage: „Ihre Auslieferung verzögert sich um ca. 8 Wochen“ mit der Bitte um Entschuldigung. Es wird sich zwar geärgert aber es wird dennoch hingenommen. Wieviel Rabatt gewährt Ihnen der Autobauer wegen der nun deutlich längeren Lieferzeit?

Richtig: Keinen!

Denn das Produkt ist das gleiche und die Leistung verändert sich nicht. Selbstverständlich ärgerlich für Sie und auch für den Autobauer. Denn der Lieferverzug hat ja seine Gründe.
ABER...

  • Warum wird denn auf Handwerkern immer wieder herumgehackt?
  • Warum muss der Handwerker übermenschliches leisten?
  • Warum soll der Handwerksbetrieb Preisnachlässe geben auf Bagatellen?
  • Warum herrscht so wenig Verständnis?

Ich bin froh dass diese beschriebenen Szenarien nur „Einzelfälle“ sind und wirklich selten auftreten. Jedoch sind es genau die „Einzelfälle“ bei denen sich dann der Frust aufbaut und viele Unternehmer einfach keine Lust mehr haben.

  • Die Einzelfälle, die dem Unternehmer schlaflose Nächte bereiten.
  • Die Einzelfälle, die für den Geschäftsführer Wochenendarbeit bedeuten.
  • Die Einzelfälle, die den Betrieb Geld und Zeit kosten und die Wirtschaftlichkeit beinträchtigen.
  • Die Einzelfälle, die trotz guter Arbeit immer noch meckern.
  • Die Einzelfälle, warum keiner mehr im Handwerk arbeiten möchte.

Am gravierendsten sind heutzutage schlechte Bewertungen im Internet. Die Firma wird Pauschal herabgewürdigt und gedemütigt und die ganze Welt liest das auch! Es werden ausschließlich negative Aspekte angesprochen. Positive Dinge werden komplett unter den Tisch gekehrt. Eine Negative Bewertung im Internet ist heutzutage das Geschäftsschädigende was Sie als Kunde tun können. Damit gefährden Sie den Arbeitsplatz aller Mitarbeiter sowie die Existenz vieler Familien und das weil „mal“ was schiefgegangen ist.

Überlegen Sie sich deshalb bitte vorher ob solch eine Beschwerde tatsächlich Pauschal auf alle Aufträge zutrifft und ob Sie dem Betrieb dadurch MAXIMAL Schaden möchten.

Ich möchte mich dennoch bedanken, das Sie sich diese Stellungnahme durchgelesen haben und hoffe das Sie beim nächsten Handwerksbetrieb mehr Verständnis für die Situation zeigen können.

Keiner möchte Ihnen etwas böses und keiner arbeitet mit Absicht schlecht. Wir tun alle täglich unser bestes um Ihnen ein bestmögliches Erlebnis bieten zu können und entschuldigen uns bereits jetzt wenn etwas schief gegangen ist. Wir bitten um Ihr Verständnis und wünschen Ihnen weiterhin alles Gute.

Eintrag vom 09.08.2018*

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